Tomatengeschichte
Ob Solanum lycopersicum, Lycopersicon esculentum, Lycopersicon lycopersicum, Paradeiser, Liebesapfel, Goldapfel, Paradiesapfel-oder wie sie die Azteken nannten: "Xitomatl"-es handelt sich bei allen Bezeichnungen um dieselbe Pflanze-die uns heute in weit über 2500 Sorten (manche Quellen berichten sogar über bis zu 10.000 Sorten) bekannte Tomate.
Die Ursprungsgebiete der 9 Wildarten Lycopersicon americanum, L. columbianum, L. glandulosum, L. hirsutum, L. peruviana, L. macrocarpum, L. cheesmanii, L.chmielewskii und Lycopersicon pimpinellifolium liegen in Mittel-und Südamerika, wo sie bereits 200 v. Chr. von den Azteken und Inkas angebaut wurden (manche Quellen vermuten, die Tomate stamme aus Chile, Columbien, Bolivien oder Peru und sei dann weiter nach Mexico gelangt, wo man sie erstmals züchterisch bearbeitet hat). Sie war schon damals kostbar, so lag der Preis für eine Tomate bei einer Kakaobohne-dem damaligen Zahlungsmittel.
1498 wurde sie dann erstmals in Spanien und Portugal eingeführt (4 Jahre vor der Einführung des Kakao) und bis in das Jahr 1719 hauptsächlich als Zierpflanze angebaut-dem gleichen Jahr, in dem erstmals über eine kulinarische Verwendung in Italien berichtet wird. Frühestens erwähnt wurde die Tomate in Italien 1544 und in Deutschland 1553. Der erste verbriefte Tomatenanbauer in England war Patrick Bellows, im Jahr 1554. Nachdem die Tomaten nach England gebracht worden waren, wurden sie anfangs hautsächlich zur Bereitung von Desserts benutzt, wie folgendes, historisches Rezept aus Cambridgeshire zeigt:
PIPPIN TART
650 g Cox Orange "Pippin" Äpfel, 225g Tomaten, 50g Zucker, 225g Blätterteig, 150ml Double Cream. Äpfel schälen, entkernen und in Scheiben geschnitten in wenig Wasser weich dünsten. Tomaten blanchieren, häuten und pürieren. Beides mischen und in eine gebutterte Form geben. Mit Blätterteig abdecken (in die Mitte eine Öffnung-einen "Kamin" machen, damit sich der Blätterteig nicht aufwölbt und später wieder zusammenfällt) und bei hoher Hitze (225°C) für ca. 10-15 min. backen, dann die Hitze reduzieren und in 30 min. fertigbacken.
Der kommerzielle Anbau von Tomaten auf der britischen Insel begann im 19. Jahrhundert, als es möglich wurde Glasscheiben für Gewächshäuser in großem Stil zu produzieren-die Anfänge lagen in Kent und Sussex.
Bereits 1710 soll sie in die USA eingeführt worden sein und um 1779 gab es bereits ein frühes "Catsup"-Rezept in New Orleans.
Thomas Jefferson Sein Anwesen, Monticello
Schon der amerikanische Präsident Thomas Jefferson baute 1782 auf seinem Anwesen Monticello in Virginia bereits verschiedene Tomatensorten an. Er war nicht nur Staatsmann und Erfinder, sondern auch der Landwirtschaft sowie gutem Essen und Weinen sehr zugetan.
"Cultivators of the earth are the most valuable citizens . . . the most vigorous, the most virtuous, and they are tied to their country and wedded to its liberty and interests by the most lasting bonds." Thomas Jefferson
Was u.a. von Jefferson begonnen wurde, nämlich die Tomate als gesundes Gemüse zu nutzen und nicht nur als dekorative Gartenpflanze, fand dann 1897 seinen damaligen Höhepunkt, als Joseph Campbell die Tomatensuppe zur Konserve machte. Die Suppe-aber auch das unverwechselbare Design der Dose-wurde überall bekannt und unter anderem von Künstlern wie Warhol in ihren Werken verewigt.
Eine andere bekannte Tomatenpersönlichkeit: Henry John Heinz. Der Sohn deutscher Einwanderer erfand 1876 das Tomaten-Ketchup indem er u.a. die seit Jahrhunderten in China benutzten Zutaten wie Fischsauce durch frische, fruchtige Tomaten und Gewürze ersetzte. Sein Ketchup trat einen Siegeszug um die ganze Welt an. Und wofür "Campbell`s" bei der Tomatensuppe steht, ist "Heinz" beim Ketchup gelungen: Die Firma ist Weltmarktführer.
Spätestens im Jahr 1900, kam die Tomate dann endlich auch in der deutschen Küche an, wo sie damals hauptsächlich zur Zubereitung von Suppen, Sossen und Salaten genutzt wurde.
Christoph Kolumbus
Vieles hat sich verändert, seit Kolumbus 1492 Amerika entdeckte. Auf der Suche nach den Schätzen der Neuen Welt geschahen nicht nur rühmliche Taten. Das (wenn auch unbeabsichtigte) Einschleppen von bis dahin unbekannten Krankheiten und das Vernichten von alten Kulturen und dem Lebensraum der Ureinwohner (bis heute) sind nur einige davon.
Zu den positiven Auswirkungen, die die Welt zwar vielleicht nicht verändert, aber doch zumindest bereichert haben, gehört die Einfuhr von bis dahin unbekannten Kulturpflanzen (u.a. Mais, Tabak und Kartoffel) nach Europa und von hier aus in andere Länder. Eine dieser Pflanzen war glücklicherweise "unsere" Tomate.
Tomatengeschichte(n) einiger Sorten:
"Bradley" wurde an der Universität von Arkansas gezüchtet und von Dr. Joe McFarren 1961 herausgebracht. Sie ist meines Wissens die einzige Tomatensorte, für die ein eigenes Festival ausgerichtet wird- das "Bradley County Pink Tomato Festival". Info's unter: www.bradleypinktomato.com
Die alte Sorte "Polish" soll auf der Rückseite einer Briefmarke in die USA geschmuggelt worden sein.
"First Pick" stammt von einer französischen Familie in Reims.
Der Klassiker "Besser" kommt aus der Gegend von Freiburg im Breisgau.
Die großfrüchtige, gelb-orange Sorte "Schellenberg`s Favorit" stammt von der gleichnamigen Familie aus der Nähe von Mannheim und soll in den Nachkriegsjahren mit einem GI in die USA gelangt sein.
"Brandywine"-die später noch in der Sortenrubrik erwähnt wird, wurde benannt nach dem nahen Brandywine Creek im Chester County, von wo sie stammt.
Über die Herkunft der historischen Sorte "Elbe" (kam 1889 heraus) sagt bereits ihr Name etwas aus.
"Amish Paste", die es seit ca. 1870 gibt, stammt von den Amish People in Pennsylvania (es gibt aber auch Quellen, die Wisconsin angeben).
"Hillbilly" kommt aus dem hügeligen Gebiet West Virginias.
"Ace", auch heute noch sehr beliebt, wurde von der amerikanischen Suppenfirma "Campbell`s" 1953 herausgebracht.
"Broad Ripple Yellow Currant" soll wild in dem Riss eines Fussgängerweges gewachsen sein, in der Nähe 56th Strasse und dem College in Indianapolis, und wurde 1984 bekannt.
Und zum bisherigen Schluß:
"Hopkins" fand man auf dem Anwesen des Schriftstellers Edgar Allen Poe (Pennsylvania, USA), sie trägt den Mädchennamen seiner Mutter.
Wenn wir hier schon die Geschichte einiger Sorten aufspüren, so ist hier auch der richtige Platz, um einen Mann zu erwähnen, der sich um den Erhalt vieler alter Sorten verdient gemacht hat: Ben Quisenberry.
Mr. Quisenberry lebte und arbeitete für seine kleine Saatgutfirma "Bens Tomato Gardens" in Syracuse, Ohio und sorgte über Jahrzehnte dafür, dass Sorten wie die bekannte "Brandywine", aber auch viele andere nicht verloren gingen. Mit knapp über 95 Jahren gab er dann das Saatgutgeschäft auf. Als er im Alter von 93 Jahren einmal ins Krankanhaus musste, versorgte jemand anderer seine 500 Tomatenpflanzen-mit dem erschreckenden Ergebnis, dass von den 31 angebauten historischen Sorten, 22 verloren waren. Mr. Quisenberry war bestürzt. Das Schöne an der erst schlimmen Situation: Von überall her, von Sammlern und Organisationen, kamen Saatguttütchen und Päckchen und so konnte er seine, von ihm einst gesammelten und geschützten Tomaten wieder anbauen.
Ein Artikel über ihn (englisch). www.purewatergazette.net/quisenberry.htm
Kurioses am Rande:
Vor cirka 200 Jahren dachte man, man könne Tomaten nur essen, wenn sie vorher für mindestens 3 Stunden gekocht würden.
Tomatensaatgut umkreiste im Weltall bereits 6 Jahre lang die Erde und wurden anschließend getestet; Ergebnis: Kein Unterschied zu den hier gebliebenen Vergleichssamen.
Seit 2003 ist die Tomate die "State Fruit" des amerikanischen Staates Tennessee (Chapter 154 of the Public Acts of 2003).
Februar 2010:
Neusten wissentschaftlichen Untersuchungen zufolge, sollen Wildtomaten (wie auch Kartoffeln,Petunien und andere Pflanzen) ihre behaarten Blätter und Stängel früher dazu benutzt haben sich ein "Zubrot" zu sichern. Gerade auf den mageren Böden der Ursprungssorten haben eben diese kleinen Härchen dazu beigetragen, dass kleine Insekten "aufgespiesst" wurden und herabfielen-sie dienten so als zusätzliche Pflanzennahrung! Man geht davon aus, dass es 50% mehr fleischfressende Pflanzen ( wie z.B. Sonnentau u. a.) gibt, als bisher angenommen.
Artikel in der L.A. Times, September 2008:
"Mann aus Winnetka erntet 10.990 Tomaten"
Hobbygärtner Bill Anderson erntete auf seinem Grundstück die obige Zahl an Tomaten-nicht eingerechnet die Früchte, die sein Terrier Buster verspeiste. Seine Frau und er mögen Tomaten sehr, so wachsen sie sowohl im vollsonnigen Vorgarten, als auch im hinteren Gartenbereich, teilweise sogar im lichten Schatten einer Ponderosa-Pinie. Eigentlich wollten sie "nur" 34 Tomaten pflanzen, doch kamen-als sie bei einem Pflanzen-Basar halfen- noch 16 Stück dazu. Auch schenkte ihnen ein Freund Saatgut, daß sie ebenfalls großzogen. Bill Anderson legt Wert auf die Feststellung, daß es in seinem Leben nicht nur um die Tomate geht-er hätte auch einen Job und Freunde. Aber die Tomate hätte es ihm schon angetan.
Scott Daigre, ein Gartenarchitekt und ebenfalls "besessener" Tomatenfan aus Los Angeles beschreibt die "Sucht" nach Tomaten aus dem eigenen Garten so: "Man will nicht nur Tomaten für ein leckeres Dinner, man ist auch auf der Suche nach der Vergangenheit, einer romantischen Suche nach einer Erinnerung und eines schönen Kindheitserlebnisses." Und wer Großeltern hatte, in deren Garten er/sie als Kind herumtollen und die reifen Früchte genießen konnte, weiß was Scott meint.